Kleine Lehrmeister*innen

 

Von wem kann ich lernen? Wer darf mich prägen? Wer erweitert meinen Horizont?

 

In der Welt, in der ich arbeite, zählt die Meinung der Expert*innen. Es sind die Großen, die mit Titel. Die, die es zu etwas gebracht haben, auf die man hört, an denen man sich orientiert.

 

Aber wenn ich so auf die letzten Jahre zurückblicke, dann gibt es noch andere Menschen, die mich viel gelehrt haben. Über das Leben. Über die Freimütigkeit. Über das Staunen. Über die Ehrfurcht vor den kleinen Dingen.

 

Ich hab mittlerweile acht Nichten und Neffen und zum Glück habe ich in den letzten Jahren viel Zeit mit ihnen verbracht, denn sie haben mich so vieles gelehrt, was mir die Expert*innen  und Angesehen vorenthalten haben.

Meine Nichten und Neffen sind für mich kleine Lehrmeister*innen. Sie lehren mich innezuhalten vor einem Regenwurm. Sie lehren mich ganz im Moment zu sein, nicht an das Gestern noch an das Morgen zu denken. Sie lehren mich präsent zu sein, weil jeder Augenblick in ihren Augen heilig ist. Sie lehren mich im Wohnzimmer zu tanzen. Sie lehren mich, dass man die Enten nicht ärgern darf, weil sie sonst sehr traurig werden. Sie lehren mich, dass auch das kleine Äffchen einen Platz am Tisch braucht. Sie lehren mich, sich anzuvertrauen.

 

In diesen vielen kleinen Momenten, denke ich dann:

 

Manchmal würde ich am liebsten nochmal Kind sein.

Würde Luftschlösser in den Himmel zeichnen.

Und nicht aufhören von einer besseren Welt zu träumen.

Würde Klingelputz machen und darüber lachen, dass die Erwachsenen immer so ernst sind.

Würde bei Sonnenschein im Winter barfuß laufen und nicht immer so vernünftig sein.

Würde mich mit meinem ganzen Sein zumuten.

Würde weinen und mich bis in den Himmel freuen.

Würde mich nicht beweisen. Würde einfach ich sein.

Würde meine Wünsche aussprechen und nicht aufhören nach dem Guten zu fragen.

Würde mich fallen lassen. Anvertrauen.

Würde große Augen machen und nicht aufhören zu staunen.

Würde wütend stampfen, wegen all der Ungerechtigkeit.

Würde tanzen und alles zum Scheinen bringen.

 

Vielleicht heißt es ja nicht umsonst „werdet wie die Kinder“.

Ach, denke ich mir, dann ist heute doch ein guter Tag dafür.

 

Eure Johanna

 

Copyright Foto: Scott-Webb-pexels-photo.jpg

 

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Kommentare: 2
  • #1

    schaffi (Samstag, 24 November 2018 19:13)

    deine Texte sind einfach nur schön
    danke Johanna
    sie weiten meinen Blick
    erinnern mich an Wesentliches
    versetzen mich zurück
    lassen mich wach und achtsam in die Welt blicken

    machen mir Lust auf Leben

  • #2

    Johanna (Mittwoch, 28 November 2018 20:45)

    Danke für die schöne Rückmeldung �!