Ausgewachsene Jungshose. Jeans. Trägt er schon sicher zwei Tage. Er will sie auch weiterhin diese Woche tragen, egal wie dreckig. Egal wie dünn und teilweise aufgerissen der Stoff über den Knien
schon ist.
Weil: „Ich habe hier doch meinen Engel in der Hosentasche, Mama,
hier,- schau DOCH!“ Er wühlt in seiner kleinen Tasche (Größe 98/110) und bringt ein kleines weißes Etwas mit zwei groben Flügeln, eine Art Gewand oder Kleid, keine Füße (oder sind die vielleicht
unter dem Gewand versteckt? Laufen Engel eher barfüßig, weil sie ja eigentlich nicht laufen, sondern fliegen, oder eher je nach Team und Einsatzort?) ans Tageslicht. Der Kopf fehlt. Noch. Er holt
mit seiner kleinen Hand einen kreisrunden Engelskopf, genaugenommen einen weißen platten Kreis aus besagter Tasche. "Oh, der Kopf ist ab." Wir müssen grinsen. Beide.
Ihn stört es kein bisschen. Er hat ja trotzdem seinen Engel in der Hosentasche dabei. In seiner stinknormalen Hosentasche. Kopf hin oder her. Der liegt ja daneben. In derselben Hosentasche, nur
eben lose.
Kopfloser Engel in der Hosentasche.
Meine Aufgabe in dieser Szene und nachwirkend, ist:
Auszuhalten, dass es wirklich Wichtigeres gibt, als eine piekfeine saubere neue Hose. Nämlich zum Beispiel kopflose Engel aus einem weißen Bastelmaterial aus dem
Kindergarten*.
Zu Staunen, über diesen kindlich-wunderbaren, phantasievollen und einfachen Glauben, dass es genügt, zwischendurch in die Hosentasche zu greifen, da meinen Engelskörper und
Engelskopf zu bemerken und mich zu erinnern, dass ich immer umgeben bin.
Umgeben und beschützt. Von himmlischen Boten. Alltäglichen Begleitern.
Die, wenn ich ihnen zuhöre, wenn ich mich erinnern lasse, wenn ich berührt werde, von göttlicher Freude und Verbundensein, von ewiger Freiheit, von echtem Glauben an das ursprünglich wahnsinnig
Gute und Ganze und kopfloser Hoffnung stundenlang erzählen könnten...
Ich weiß, Weihnachten und damit auch die klassische Engelszeit ist vorbei.
Warum eigentlich? Mein Weihnachten ging mit dieser Jeans und weißer Knetmasse im Januar weiter. Zum Glück.
Wer sind meine Begleiter? So nah an mir? Vielleicht sind sie auch nicht „ganz ganz“, vielleicht fehlt auch Ihnen ein Teil? In wessen Nähe fühle ich mich wohl? Geborgen und gut aufgehoben? Wer
meint es gut mit mir? Wer sind meine himmlischen Boten, die mir, montag dienstag mittwoch donnerstag freitag samstag und sonntag über den Weg geschickt werden? Barfüßig oder in weißem Sneaker, ob
mit animalprints, in Melas oder Vejas, im Statement Sneaker oder mit Plateau?
Sei bereit zu Staunen.
(*DANKE Kindergarten. Sie sind unbezahlbar. Mehr als Goldwert. Und vieles geschieht, tatsächlich, nebenbei. Ich danke Ihnen.)
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