Die nächsten Zeilen widme ich meiner besten Freundin, Veri.
Ich liebe den März. Jedes Jahr bin ich froh, wenn der Januar und der Februar endlich vorüber zieht. Denn dann kommt der März und der bringt die ersten Vorboten des Frühlings mit sich. Neulich konnte ich ihn schon riechen, den Frühling. Da lag plötzlich so eine warme Milde in der Luft, die noch vorsichtige Sonne erzählte davon, dass bald wieder die Magnolienbäume blühen werden und das Vogelzwitschern lies mich wissen, dass die ersten Verrückten, wie mein Schwager bald wieder ihre Flip-Flops auspacken werden.
Wenn ich an den Frühling denke, denke ich an Aufblühen.
Auf. Blühen. Sich öffnen. Zeigen. Entfalten.
Farbenexplosion. Bunt. Schön. Kraftvoll. Gewagt.
In meinem Zimmer hängt auf einem grauen Papier in Schnörkelschrift geschrieben: „Und es kam der Tag, da das Risiko in der Knospe zu verharren, schmerzlicher wurde, als das Risiko zu blühen.“ Ich liebe dieses Zitat der amerikanischen Schriftstellerin Anais Nin, weil ich es so wahr finde.
Aufblühen. Mal fröhlich aus der Reihe. Ein bisschen neben der Spur sein. Mal ordentlich auf den Putz hauen. Laut aufstampfen. Einfach mal quer schlagen. Auf Krawall gebürstet. Strahlen und Scheinen. Kostet mich Mut. Stellt irgendwie auch ein Risiko dar. Was werden die anderen denken, wenn ich mir den knallroten Lippenstift auftrage? Was wird meine Familie dazu sagen, wenn ich nicht zum Familywochenende ins Allgäu mitkomme? Was wird Hinz und Kunz zu meiner kleinen Tanzeinlage auf dem Geburtstag meiner Tante sagen? Wie wird mein Chef reagieren, wenn ich mal antworte: „Monsieur, wissen Sie was, das geht mir jetzt ordentlich gegen den Strich!“
Aufblühen, heißt für mich, sich zu öffnen, sich zu zeigen mit den ganz eigenen Farben und Facetten. Sich zu zeigen, mit all der uns innewohnenden Schönheit, aber eben auch mit unseren einmaligen Grenzen. Aufblühen, bedeutet für mich deshalb auch manchmal und immer öfter auch mal „nein“ zu sagen, mal ein bisschen unbequem zu sein, mein Wesen nicht ständig zu übergehen.
Ich habe lange Zeit sehr angepasst gelebt, ich war eine Meisterin der Diplomatie: Nur nicht anecken, nur nicht zu viel von mir Preis geben, lieber auf Nummer sicher gehen. Dafür haben mich viele gefeiert, aber irgendwann wurde das Risiko in der Knospe zu verharren, eben zu schmerzlich.
Die Knospe öffnet sich dann trotzdem nicht von heute auf morgen, das braucht Zeit und Geduld. Liebe und Pflege. Ein bisschen gießen jeden Tag hilft. Der Prozess des Wachstums, des sich Entfaltens ist immer auch schmerzhaft, finde ich. Man verlässt alte, gewohnte Bahnen, das macht Angst, verunsichert.
Darf ich wirklich so frech und wild und wunderbar sein, wie Astrid Lindgren es vorschlägt?
Ich will dir heute mal sagen: Ja, du darfst! Bitte trau dich!
Auch wenn die anderen sich manchmal über dich und deine neue Facon empören werden. Manche werden vielleicht sogar neidisch sein, weil sich jetzt dein ganzes Potenzial und deine Schönheit zeigen und sie werden dich auffordern: „Oh lala, was ist denn mit dir passiert, sei bitte lieber wieder eine graue Maus, damit kommen wir besser klar, Madame!“
Aber wir sind eben keine grauen Mäuse, sondern rosa Flamingos, köngisblaue Pfauen und gestreifte Zebras.
Und dabei glaube ich ganz fest, dass der, der uns gemacht hat, in uns die Würde gelegt hat, aufzublühen.
Manchmal stelle ich mir das so vor:
Du berührst meine Ecken und Kanten
Bringst sie zum Glänzen
„Ach, ohne sie wärst du doch so langweilig!“
Lachst du
Du holst die verborgenen Schätze ans Licht
Sagst: „Überaschuuuung!“
Und feierst sie ab
Du sagst:
„Na las, worauf wartest du?“
„Lass uns tanzen!“
Du führst mich perfekt im Takt des Lebens
„Ach!“ sagst du
„Was die anderen denken, ist uns doch egal!“
„Man muss auch mal ein bisschen verrückt sein!“
Schreibst du mit Kreide vor meine Haustüre
„Aber dies und das“ murmle ich
„Und überhaupt, du weißt schon, ich habe doch überhaupt keine Zeit dafür!“
„Alles Blödsinn!“ kicherst du
„Ich mache dir jetzt eine Räuberleiter, und dann klaust du dir ein paar Sterne vom Himmel!“
eure johanna
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