Letzte Woche musste ich von Düsseldorf nach Weingarten fahren. Es war schon ziemlich spät und mir war klar, dass ich das Hotel nicht vor 24 Uhr
erreichen würde, also rief ich vom ICE aus das Hotel mit dem schönen Namen "Sonne" an. Der nette Herr am anderen Ende der Leitung sagte mir etwas verzweifelt, dass die Rezeption nur bis 23 Uhr
aufhabe. Ich war nur auch latent verzweifelt und ratlos, aber dann hieß es auf einmal am Ende der anderen Leitung:
"Oh, ich stelle gerade fest, dass wir ihr Zimmer schon belegt haben. Ich reserviere ihnen einfach ein neues Zimmer im benachbarten
4-Sterne-Hotel. Wir zahlen ihnen die Differenz und dort können sie auch noch nach 24 Uhr einchecken." Ich freute mich wie eine Schneekönigin über diesen genialen "Zufall".
In den letzten 10 min. vor Weingarten hörte ich dann wie eine junge Frau sichtlich aufgeregt die Schaffnerin fragte, wie sie vom Bahnhof nach Hause kommen könne. Die Schaffnerin sagte ihr freundlich, dass um diese Uhrzeit kein Bus mehr fahre und sie wohl ca. eine Stunde zu Fuß nach Hause brauchen würde. Als wir dann endlich nach einer gefühlten Ewigkeit ankamen, wartete mein gelbes Taxi schon am Bahngleis. Ich wunderte mich, wie abgelegen und dunkel der Bahnhof doch war. Als ich gerade in meine Taxe einsteigen wollte, kam die Frau aus dem Zug angerannt und fragte mich verlegen, ob ich sie wohl ein Stück mitnehmen könne. Letztendlich stellte sich heraus, dass ihr Haus genau auf der Route lag.
Sie und ich freuten uns über diesen "Zufall" ungemein.
Freude. Joy. Gioia. Alegria.
Ich liebe meine alte Freundin Freude, denn sie gesellt sich so oft zu mir. Sie besucht mich, wenn mir Mara erzählt, dass sie schwanger ist. Sie stellt sich neben mich und legt ihr Hand zart auf meine Schulter, wenn ich an der blau-weißen Vase mit den roten Tulpen in meinem Wohnzimmer vorbei gehe. Meine gute alte Freundin Alegria zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht, wann immer die Sonne morgens durch mein Fenster scheint.
Sie ist dabei keine aufdringliche Freundin, sie schätzt es sehr eingeladen zu werden. Ich bin jeden Tag gespannt, wann sie sich zu mir gesellen wird.
Frau Freude ist durchaus sehr bescheiden, es ist für sie völlig okay, wenn ich sie gelegentlich anderen borge. Für Misses Joy ist es wirklich kein Problem ein bisschen im Kreis herumgereicht zu werden. Sie kann sich herzzerreißend für die kleinsten Dinge begeistern. Und ach, wie herrlich laut sie lacht, wenn bei der Senseo-Kaffeemaschine das Wasser aus allen Ritzen spritzt, weil ich keinen Pad hineingelegt habe.
Als ich neulich ins Landeskriminalamt wollte und keinen Ausweis dabei hatte, weil ich vor einem Jahr meinen Geldbeutel verloren habe und immer noch nicht meinen Perso neu beantragt habe, stand meine Freundin Gioia prustend neben mir und hielt sich den Bauch vor Lachen. Ich sagte ihr, sie solle nicht so laut sein, weil es sonst vielleicht sein könnte, dass der grimmige Herr beim Einlass angesteckt werden könnte. Ich habe mich dann übrigens ungemein gefreut, dass ich auch ohne Ausweis ins LKA rein kam. Hihi.
Kinder mögen meine Freundin Alegria übrigens sehr. Es scheint, als hätten sie eine special connection zu ihr. Meine kleiner Neffe Finn freut sich über seinen aus Speckstein geschliffenen Diamanten so sehr, dass der sogar mit ihm im Bett schlafen darf. Und wenn ich gelegentlich zum Abendessen komme, dann fällt er mir um den Hals. Er ist sehr dicke mit der Misses Freude.
Aber manchmal flüsterst Joy mir abends zu, "also hier bei euch, in diesen Breitengraden habe ich es nicht sehr leicht. Die Menschen bei euch sind ja
so schrecklich beschäftigt, sie bemerken mich häufig nicht mal, wenn ich ihnen direkt vor den Latz geknallt werde.
Quasi bäm, in your face, du weißt schon wie ich meine."
"Ich weiß, ich weiß," sage ich. Und versuche ihr zu erklären, dass die Erwachsenen für sie leider wenig Zeit übrig haben und dass es bei uns eben cool ist, sich von nichts beeindrucken und begeistern zu lassen, "aber hach" sagt sie mit ihrem typisch verschmitzten Lächeln, "ich glaube ich werde Herrn Unzufrieden und Frau Unbeeindruckt heute mal so richtig in den Hintern zwicken, damit sie sich nach mir umdrehen."
"Oh", sage ich, "das ist eine ganz wunderbare Idee!"
Kichernd laufen wir die Straße runter.
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