Die alte Holzbank lädt zum Hinsitzen ein. Es riecht nach Holunder und Wildblumen.
Ich lehne mich zurück und genieße die warme Abendsonne.
Es ist unglaublich friedlich hier, ich atme tief durch. Komme an in meinem Garten. Über den kleinen Teich führt eine schöne Holzbrücke. Auf einer der Seerosen tanzt eine blaue Libelle.
Eigentlich aber sitze ich einem ICE, natürlich mit Verspätung. Ich habe einen langen Tag hinter mir. Ich bin durch halb Deutschland gereist, um ein heftiges Interview zu führen, das mir immer
noch durch den Kopf geht. Ein ganz gewöhnlicher Tag in meinem Leben: überfüllte Bahnhöfe, gehetzte Menschen, Emails beantworten, die Nachrichten lesen, kurz das Programm am Wochenende abchecken.
Von einem Obdachlosen, der echt fertig aussieht, nach etwas Kleingeld gefragt werden. Auf der Rückfahrt in der U-Bahn dann noch kurz den Streit von einem Pärchen mitbekommen.
Meine Welt ist wahrscheinlich genauso schnell und schrill und rastlos, wie deine. Bei dem vielen Hin und Her, bei all den vielen Reisen und Reizen, stelle ich immer wieder fest, wie wichtig es
ist, eine innere Heimat zu haben. Ein Ort der Geborgenheit, ein Platz des Friedens. Vielleicht ein innerer Garten - mit einer gemütlichen Holzbank, zum Durchatmen. Mit Amselmusik
und blauen Libellen auf weisen Seerosen. Ein Platz zum Rasten und Ankommen.
Ein Ort zum Da-Sein. So-Sein. Sein.
Wie sieht dein Garten aus? Wachsen dort Pfingstrosen oder Wildblumen? Ist er klein und gemütlich oder weitläufig und wild?
In all dem bunten Trubel, zwischen all den grauen Fassaden - brauche ich auch eine Heimat im Herzen. Eine Herzensheimat.
Eine Haymat, die ich mit mir trage, die mir niemand nehmen kann. Sogar im überfüllten ICE.
Das Schöne ist, ich werde dort immer schon erwartet. Mal von meinem guten Freund, dem Rabbi. Mal von der liebevollen alten Dame, die mich so gut kennt. Wenn ich will, kann ich erzählen und
nebenher einen Minztee trinken. Aber ich kann auch einfach nur da sitzen, mich anlehnen. Ein paar Minuten in der Schönheit und Wärme dieses Ortes verweilen. Einfach da sein. Vielleicht ist es der
einzige Ort auf dieser Welt, an dem die Liebe so groß ist, dass all die Bewertungen, all die Erwartungen und der Leistungsdruck keinen Einzug erhalten.
A place of pure love. Sheer mercy. Beautiful grace.
Ein Franziskanermönch hat mal gesagt: "Wir brauchen einen Ort, in dem wir all unsere Erfahrungen beherbergen können, ohne etwas zu verdrängen. Einen Ort, der größer ist als Ja oder Nein. Gott
verheißt uns diesen weiten, umfassenden Raum - es ist der Ort, den wir Seele nennen."
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Susen (Mittwoch, 11 September 2019 14:20)
Wunderbar diese Worte, ich bekam gleich Bilder vor meinem geistigen Auge und fühlte mich eingeladen, zu schauen wie es um meinen inneren Garten steht... erinnern mit daran zu schauen. Ich habe in versäumt ihn zu pflegen und vor allem zu besuchen. Vielen Dank die Erinnerung... Ich bin dann mal im Garten :-)