Sie klebt sich überall Sticker hin.
Keine Smileys, wie es die LehrerInnen in der Grundschule oft machen, ein Lachgesicht und Mundwinkelnachunten-ziehendes Gesicht - nein, sie klebt sich überall, überall in ihrer Wohnung kleine
runde Blumen auf.
An den Griff der Kühlschranktür. An die kleine runde Tür der Waschmaschine, an das Fach für das Waschpulver, diese kleine eckige Schublade. Auch da klebt eine kleine Blüte. Auf ihrem Bett, an der
Kante, wo sie sich abends hinsetzt und morgens aufsteht. Auf ihrem Nachttisch, neben ihrem Krimi .... auf der Badezimmer Türklinke, oben drauf, an dem Drehschrank in der Ecke ihrer Küche, wo
Töpfe und Pfannen schön verstaut sind. Auch da klebt eine kleine Blüte.
Sie klebt, weil sie achtsam leben will. Sie klebt, weil die kleinen Blütensticker sie in fast jeden Moment daran erinnern, dass sie Zeit hat. Dass sie langsam, gemächlich und mit viel Ruhe die
Kühlschranktür öffnen kann. Sie muss sie nicht aufreißen und sie will sie nicht mehr aufreißen. Sie will aussteigen aus dem Kreislauf aufgerissener Türen und in Hektik zugeschobener Schränke.
Türklinkentempo verlangsamen. Sie will achtsam in die Knie gehen, sich vor die Waschmaschine beugen, die Türe öffnen, gemächlich die Wäsche reinlegen und leise und achtsam die Türe wieder
schließen.
Das Gleiche mit dem Waschpulver.
Da wird mir beim Schreiben dieser gemütlichen Worte innerlich schon ganz anders. Ich werde aufgekratzt und denke, du meine Güte „diese verlorene Zeit“. Und mir fällt
Sören Kierkegaard ein: „Der Augenblick ist jenes Zweideutige, darin Zeit und Ewigkeit einander berühren.“
Ich wünsche mir Ewigkeitsminuten - voller
Achtsamkeit und Gemächlichkeit.
Gemach, gemach, meine liebe Seele. Will ich meiner Seele in den kommenden Tagen und Wochen sagen.
Ich erahne einen kleinen Schatz, in diesen Blumenstickern. Ich erahne einen verborgenen Schatz, in den althochdeutschen Worten „Gemach, gemach“ - meine englischsprachigen
Freunde würden vielleicht sagen,
„Eva, slow your flippin´role, my lovely soul."
Ja, liebenswerte Seele, verlangsame und lauf gemächlichen Schrittes.
Ich schreibe diese Worte in mitten von 4 Wäschebergen, trockene und saubere und dreckige unsortierte, und eine Reisetasche liegt rum, die noch nicht ausgepackt ist vom
Wochenende (es ist Dienstag). Wie finde ich zu dieser ruhigen Lebenshaltung, dass ich in mitten von Chaos und Wäschebergen, in mitten von abgenutzten und getragenen Gedanken, verbrauchten
Gefühlen, in einem Körper, der an manchen Stellen einfach auch schon „used“ ist - umgeben von unausgepackten Sorgen und Fragen vom Wochenende - mich hinsetze und verlangsame?
Meiner Seele, gemach gemach zusprechen und zu merken, dass sie mir glaubt??
Vielleicht sollte ich meine Seele, mein Inneres öfters ganz freundlich ansprechen, ihr sagen, was ich mir wünsche und dass sie nicht gestresst sein braucht. Dass
sie ok ist.
Achtsamkeit - dazu erschien in diesem Jahr von dem „FLOW-Magazin“ eine Sonderausgabe.
Lesenswert. Ich glaube, achtsames Leben hilft meiner Seele, gemächlicher zu gehen und hilft mir - gesünder zu leben. Wenn man bedenkt, dass 70%, (wahrscheinlich noch mehr) aller chronischen
psychischen und physischen Krankheiten auf Stress als Mitgrund und Auslöser zurückzuführen sind...
Könnte es tatsächlich sein, dass ein achtsames Leben gesünder ist...?
Also zitiere ich für euch hier einzwei gute Sätze bzw. genau 7 Punkte aus der Flow Sonderausgabe:
- Weniger Bewerten und mehr Beobachten, hilft.
- Geduld ÜBEN (nicht Können) hilft.
- Einen frischen Blick auf dem nächsten altbekannten Weg. Ein Anfängergeist sein. Ein staunendes Kind bleiben. Hilft.
- Planen, was zu planen ist und vor allem Zeit einplanen, in der nichts geplant ist. Zeit für Freiraum, Spielzeit und FREI-Zeit.
- Vom Streben ins Weben. Oder anders: Vom Tun ins Sein. Den Kippschalter umlegen. Und dich im Hier verorten. Vom wöchentlichen Leistungsmodus in den Gnadenmodus mit dir. Und mit anderen. Der Sonntag bietet sich da zum Üben ganz gut an.
- Akzeptanz. Darf man auch Üben. Zum Beispiel mit dem "Welcome Prayer" (findest du unter Schönschönschön). Willkommen kaputt. Annehmen, was ist. Und dann auch weiter gehen.
Und jetzt bist du an der Reihe.
Hinsetzen und Seelentalk. Oder losgehen, gemächlich die Haustürklinke nach unten drucken, gemächlich schließen und im Schreibwarenladen deiner Wahl Sticker einkaufen.
Wie wär das?
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Cornelia (Dienstag, 17 Dezember 2019 15:17)
Ja, das tut gut: gemach gemach!
Danke für die Erinnerung.
Ich dachte an Rob Bell: WALK DON’T RUN
Walk, don’t run.
That’s it.
Walk, don’t run.
Slow down, breathe deeply,
and open your eyes because there’s
a whole world right here within this one. The bush doesn’t suddenly catch on fire, it’s been burning the whole time.
Moses is simply moving
slowly enough to see it. And when he does,
he takes off his sandals.
Not because
the ground has suddenly become holy,
but because he’s just now becoming aware that
the ground has been holy the whole time.
Efficiency is not God’s highest goal for your life,
neither is busyness,
or how many things you can get done in one day,
or speed, or even success.
But walking,
which leads to seeing,
now that’s something.
That’s the invitation for every one of us today,
and everyday, in every conversation, interaction,
event, and moment: to walk, not run. And in doing so,
to see a whole world right here within this one.