love your neighbour as yourself

Kennst du das?
Es geht dir auf die Nerven, dass sich alle Welt darum dreht, wie sie sich selbst verwirklichen kann. 
Be yourself! Sei dir deiner selbst bewusst, heißt es. Also morgens meditieren, keine Kinder kriegen, vegan ernähren, sich im Job verwirklichen und abends mit einem Kumpel treffen, der sich auf nichts Festes einlassen möchte...
Okay, ich übertreibe ein bisschen.

Auf der anderen Seite erinnere ich mich an viele Jahre, in denen nur zählte, was die anderen brauchen. Von einem Ehrenamt ins nächste. Sich selbst gar nicht mehr spüren. Getrieben von Idealismus.

Ich frage mich, gibt es auch etwas dazwischen? Ein gesundes Maß an Selbstachtung und -fürsorge. Wir werden ein paar spannende Menschen fragen...

 

Heute im Porträt: 

Horst, 62, Dozent, Theologe, Ehemann, Vater und Opa und Kunstliebhaber. Er wohnt in der Nähe von Freiburg und arbeitet in Basel (Schweiz).

 

 

Was bedeutet Selbstachtung für dich?
Wie schon das Wort sagt:
Auf mich selbst Acht haben, mich selbst in Schutz nehmen vor den Ansprüchen, die ich mir selbst stelle und die von außen an mich herangetragen  werden.
Darauf achten, dass die unterschied-lichen Aspekte meiner Person: Leib, Seele, Geist aber auch Beziehungen, Familie und das Alleinsein mit mir selbst, zu ihrem Recht kommen.
Welche kleinen Rituale der Selbstfürsorge hast du in deinem Alltag?
Ich brauche morgens immer ein wenig Zeit für mich allein. Für eine Gebet, ich muss mich sortieren und schauen, was an diesem Tag anfällt. Ich stolpere nicht gerne in den Tag hinein.

Ich habe im Laufe meines Lebens gelernt aufzuhören. Bewusst ein Ende zu setzen, einen Schnitt zu machen. Man nennt so etwas „Feier-Abend".
Ich versuche jeden Tag oder wenigstens jeden zweiten Tag, etwas  Schönes in den Feierabend zu legen. Meist sind das nur kleine Dinge, aber sie helfen, aufzuhören. Da lege ich Handy, PC, Whatsapp und E-Mail bewusst auf die Seite - "bis Morgen" sage ich froh.  Ich klicke dann gerne bei meinem PC „Herunterfahren".


Der Unterschied zwischen Selbstfürsorge und Egoismus ist für dich?
Selbstfürsorge meint, dass ich mich bewusst in einem austarierten Maß für mich entscheide, weil ich es brauche, weil der Akku leer ist, weil eine Grenze erreicht ist, die ich nicht überschreiten will, weil mein Leben aus mehr besteht als Arbeit und Leistung, weil ich das Schöne und Leibliche in mein Leben integrieren möchte.
Egoismus wird aus dem Gefühl heraus angetrieben, dass „man zu kurz kommt" und sich dann nimmt, was man meint zu brauchen, -
oft ohne Rücksicht. Das treibt mich aber nicht an.

Wer inspiriert dich, wenn es um das Thema Selbstachtung und
Selbstfürsorge geht?
Der schwedische Autor Tomas Sjödin zum Beispiel mit seinem Buch:
"Warum Ruhe unsere Rettung ist."
Der Soziologe Hartmut Rosa beschäftigt mich zur Zeit sehr mit seinem Buch: "Resonanz". Das Stichwort Entschleunigung spielt darin eine große Rolle. Das Leben als einen Resonanzraum verstehen lernen, in dem die verschiedenen Seiten meines Lebens zum Klingen kommen.
Vielen Dank, Horst, für die guten Gedanken, Ideen und wahren Worte!

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Kommentare: 1
  • #1

    Schaffi (Mittwoch, 13 Mai 2020 08:56)

    Horst, du lebst was du schreibst!
    Das bewundere ich an dir.
    Du- schönes Vor - Bild