Da draußen auf dem Wasser

Liebe Eva,

 

danke für deine Zeilen zum Weitermachen, deine Gedanken und Fragen dazu, was uns stark hält.

Ich begegne jeden Tag auf der Arbeit Menschen, die sich fragen, soll ich wirklich weitermachen, weiterhoffen? Auf einen Aufenthaltstitel.
Auf eine bezahlbare Wohnung. Auf einen Termin bei der deutschen Botschaft im Libanon. Auf ein besseren Job. Auf das lang ersehnte Visum für den Familiennachzug.

Weitermachen, weiter hoffen oder Hinschmeißen? Es beeindruckt mich, wie zäh die meisten Menschen sind, wieviel Leid sie tragen, ertragen und dass ihnen die Hoffnung wirklich als Allerallerletztes erstirbt. Es sind echte Hoffnungsmenschen, denen ich täglich begegne.

Ich habe den größten Respekt davor, dass sie häufig schon seit Jahren weitermachen, weiterhoffen. Seit J A H R E N.

In letzter Zeit denke ich häufig, es gibt eben auch hier in Deutschland sehr viel mehr Unsicherheiten, die es auszuhalten gilt, als viele es wahrhaben wollen. Wenn wir mal ganz ehrlich sind, gibt es eigentlich fast gar nichts was wirklich sicher ist. Wir wissen nicht, ob das Baby gesund zu Welt kommt. Wann es mit dem schwanger werden klappt. Ob wir den Krebs ein weiteres mal überleben werden. Wie sich unsere Kinder entwickeln. Ob der neue Job, wirklich besser ist, als der zuvor. Wir wissen, nicht, wie es nach einem Burnout weitergeht. Ob sich irgendwo ein guter Lebenspartner finden lässt und wie lange wir ihn dann an unserer Seite haben werden.

Trotzdem lieben wir es zu planen, zu kalkulieren und von Vielem bereits als gesetzt auszugehen.

 

Vor zwei Wochen hat eine Frau, die schon etwas mehr Lebenserfahrung und Lebensweisheit hat, vom Vertrauen gesprochen und seitdem lässt mich dieses Wort nicht mehr los. Vertrauen. Ja, worauf soll man eigentlich vertrauen? Worauf darf man denn vertrauen? Guter, begründeter Hoffnung sein? Das frage ich mich immer wieder. Und da fällt mir ein Lied ein:

 

You call me out upon the waters
The great unknown where feet may fail
And there I find You in the mystery
In oceans deep
My faith will stand

And I will call upon Your name
And keep my eyes above the waves
When oceans rise
My soul will rest in Your embrace
For I am Yours and You are mine

 

Your grace abounds in deepest waters
Your sovereign hand
Will be my guide
Where feet may fail
And fear surrounds me
You've never failed
And You won't start now

 

Ich liebe dieses Lied schon lange und entdecke es immer wieder neu. Es singt davon, dass wir uns hinaus trauen sollen, in den Raum des Vertrauens. Raus aus allem Analysieren, Verstehen, Kalkulieren. Raus aus der Illusion, dass wir alles in der Hand haben. Raus aufs Wasser. Wo nur noch Vertrauen und Glauben trägt.

Vertrauen darauf, dass es am Ende doch irgendwie, irgendwann gut wird. Vertrauen darauf, dass das Leben für uns ist und alles was uns widerfährt eine Einladung ist zu wachsen, uns weiterzuentwickeln. Vertrauen darauf, dass wir dabei nicht alleine sind, dass der Eine an unserer Seite ist und bleiben wird.

 

Uii, ich sags dir, er fällt mir sehr schwer, dieser Weg des Vertrauens. Dieses nicht am Leben verbittern, sondern daran wachsen. Manchmal möchte ich am liebsten schmollen und beleidigt sein. Aber ich habe die leise Ahnung, dass es ein guter Weg sein könnte.

 

Sehr inspirierend finde ich dazu die Gedanken des Verhaltenstherapeuten, Jens Corssen. Er steht seit 16 Jahren morgens für paar Minuten auf dem Stuhl und verbeugt sich vor den Gesetzen des Lebens (stirb und werde, alles ist vergänglich und fließt, alles kommt und geht) und dann sagt er:

"Willkommen Tag (denn er kommt sowieso, also ist es ganz gut, dass ich ihn willkommen heiße), ich erwähle dich mit allem, was du bringst. Ich bin darauf vorbereitet, dass er mir irgendetwas bringt, was ich nicht erwartet habe.
Ich bin bereit mich dem Leben auszusetzen und an ihm zu wachsen.
"
Wenn ihm etwas widerfährt, was er nicht erwartet hat oder unangenehm ist, sagt er zuerst, "das habe ich mir anders vorgestellt", dann: "ich bin für das was ist, das Leben", überlegt sich anschließend acht verschiedene Lösungsmöglichkeiten und entscheidet sich für eine.

So eine wilde Mischung aus Vertrauen, Akzeptanz und Lösungssuche klingt für mich irgendwie ganz gut.

 

Ich schicke dir eine große Vertrauensumarmung!

Johanna

 

Das Lied ist übrigens von Hillsong United "Oceans"

Copyright Foto: Michasager

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